Der russische Energiekonzern soll eine umfassende Strategie zur Abschottung der mittel- und osteuropäischen Erdgasmärkte verfolgen, um überhöhte Preise für seine Lieferungen verlangen zu können. Zu diesem vorläufigen Ergebnis kam die Europäische Kommission in einem Prüfverfahren, das seit zweieinhalb Jahren läuft.


Die Europäische Kommission hat dem russischen Energiekonzern Gasprom vorgeworfen, seine marktbeherrschende Stellung auf den mittel- und osteuropäischen Gasmärkten zu missbrauchen. Damit verstoße Gasprom gegen die Kartellvorschriften der Europäischen Union, teilte die EU-Kommission heute mit. Sie hatte im August 2012 ein förmliches Prüfverfahren gegen den halbstaatlichen russischen Energiekonzern eingeleitet, um dessen Geschäftspraktiken in den mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedsländern auf mögliche Verstöße gegen die EU-Kartellvorschriften zu untersuchen. Gasprom ist in diesen Ländern der marktbeherrschende Erdgas-Lieferant, mit Marktanteilen von 50 bis 100 Prozent.

Mit ihrer Untersuchung gelangte die Kommission nun zu dem vorläufigen Ergebnis, dass Gasprom die EU-Kartellvorschriften verletzt, indem es eine umfassende Strategie zur Abschottung der mittel- und osteuropäischen Gasmärkte verfolgt. Das Ziel dieser Strategie sei es, in mehreren dieser Länder unlautere – also überhöhte – Preise für Erdgas verlangen zu können. Der Konzern setze diese Strategie um, indem er den grenzübergreifenden Vertrieb von Erdgas behindere und nicht angemessene Preise berechne.

So soll Gasprom in seine Liefervereinbarungen mit Großhändlern eine Reihe von territorialen Beschränkungen aufgenommen haben, die die Ausfuhr von Erdgas in die acht EU-Mitgliedstaaten Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Tschechische Republik und Ungarn verhindern. Damit sei es den Großhändlern nicht möglich, überschüssiges Erdgas auf einem ausländischen Markt mit höheren Preisen zu verkaufen. „Infolge dieser Klauseln können Großhändler nicht mit Gasprom konkurrieren“, schreibt die EU-Kommission. „Das heißt, russisches Gas kann nicht mit russischem Gas konkurrieren.“ Dies führe zu höheren Preisen und entlang der nationalen Grenzen segmentierten Erdgasmärkten.


Spezifische Preisformeln

Die EU-Kommission untersuchte auch die Preisformeln, die der Konzern in den Verträgen mit seinen Kunden verwendet. Darin ist der Erdgaspreis an die Preise von Erdölprodukten gekoppelt. Dieses Prinzip stellte die Kommission nicht grundsätzlich in Frage. Sie kam aber zu der vorläufigen Schlussfolgerung, dass die spezifischen Preisformeln von Gasprom den Konzern gegenüber seinen Kunden stark bevorteilt haben sollen. In Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen und Polen habe er unangemessene Preise verlangt.

Als weiteren Beschwerdepunkt nannte die EU-Kommission, dass Gasprom seine Erdgas-Lieferungen daran geknüpft habe, dass Großhändler in Bulgarien und Polen bestimmte Zusagen zur Erdgastransport-Infrastruktur gaben. So soll der Konzern in Bulgarien seine Erdgaslieferungen davon abhängig gemacht haben, dass sich der dortige Gasversorger an Gasproms Leitungsprojekt Südstrom beteiligte. In Polen habe der Konzern auf diese Weise verlangt, weiterhin die Kontrolle über Investitionsentscheidungen bei der Transitleitung Jamal behalten zu können.

Gasprom hat nun zwölf Wochen Zeit, um sich zu den Beschwerdepunkten zu äußern und eine mündliche Anhörung zu beantragen. In einer ersten Stellungnahme bezeichnete der Konzern die Beschwerden der Kommission als grundlos. Seine Tätigkeit auf dem Markt der Europäischen Union entspreche den üblichen Standards, die auch von anderen Erdgas-Produzenten und -Exporteuren angewandt würden. Dies gelte auch für die Prinzipien der Erdgas-Preisbildung.

 

Konfliktträchtige Beziehung

Zwischen der EU-Kommission und dem halbstaatlichen russischen Konzern Gasprom war es in den vergangenen Jahren bereits mehrfach zu Konflikten gekommen. So verfügte die Kommission mit einer Regulierungsauflage, dass Gasprom und sein deutsches Partnerunternehmen Wintershall die deutsche Transit-Erdgasleitung Opal nur zur Hälfte ihrer  Transportleistung nutzen können. Ein Streit um Auflagen der Kommission für das russisch-europäische Erdgas-Leitungsprojekt Südstrom führte erst im Dezember 2014 dazu, dass Gasprom das Projekt aufgab und nun eine Leitung in die Türkei verlegen will. Andererseits hat die Kommission im Herbst 2014 und im Frühjahr 2015 jeweils erfolgreich im Streit zwischen Gasprom und seinem ukrainischen Kunden Naftogas vermittelt, so dass die Auseinandersetzungen weitgehend entschärft werden konnten.


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