Mehr oder weniger zufällig wurde jetzt bekannt, dass der ostdeutsche Braunkohleförderer Mibrag nun doch noch seinen schon lange überfälligen Geschäftsbericht für das Geschäftsjahr 2013 im Bundesanzeiger veröffentlicht hat. Wie immer in den letzten Jahren, belegt er einen ungewöhnlich starken Kapitalabfluss an die Finanzinvestoren der Muttergesellschaft.


Was die Mibrag-Geschäftsführung auf Nachfrage schon mehrfach seit dem August des vergangenen Jahres 2014 angekündigt hatte, hat sie nun tatsächlich doch noch umgesetzt: Der Geschäftsbericht für das Jahr 2013 wurde im Bundesanzeiger veröffentlicht und ist dort für jeden Interessenten einsehbar. Dies wurde jetzt mehr oder weniger zufällig bekannt, das Unternehmen selbst hat nicht darüber informiert. Auf seiner eigenen Webseite hat es auch den Geschäftsbericht 2013 bisher nicht veröffentlicht. Die Geschäftsberichte aus früheren Jahren sind dort ebenfalls nicht mehr abrufbar.

Unklar bleibt weiterhin, seit wann Mibrags Geschäftsbericht 2013 auf der Bundesanzeiger-Webseite gelesen werden kann. Denn noch vor einigen Wochen führte dort eine Suche wie zuvor ins Leere. Umso rätselhafter ist die Tatsache, dass der Bundesanzeiger nun den 24.02.2015 als Veröffentlichungstermin nennt.

Ein weiteres Rätsel ergibt sich daraus, dass die Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaft KPMG und Mibrags Aufsichtsratschef Wilhelm Hans Beermann den Geschäftsbericht bereits am 10. und 26. März 2014 abgezeichnet hatten. Danach verging noch mehr als ein Jahr, bis der Geschäftsbericht tatsächlich öffentlich einsehbar war. Beide Datumsrätsel werden weder auf der Webseite des Bundesanzeigers noch auf der Mibrag-Webseite aufgelöst.

 

Strafanzeige

Möglicherweise hat eine Strafanzeige des früheren Energieberaters von Heuersdorf, Jeffrey Michel, dazu beigetragen, dass der Geschäftsbericht nun zugänglich gemacht wurde. Die Einwohner von Heuersdorf hatten sich viele Jahre lang hartnäckig, aber letztlich vergeblich dagegen gewehrt, dass ihr Heimatort im Jahr 2009 für den Mibrag-Tagebau Vereinigtes Schleenhain weggebaggert wurde. Michel beschäftigt sich heute immer noch mit Streitigkeiten aus dieser Zeit und benötigt dazu zuverlässige Informationen über Mibrags Geschäftsentwicklung.

Wegen der Nichtveröffentlichung des Geschäftsberichts 2013 hatte er Ende Mai 2015 eine Strafanzeige gegen Mibrag und Aufsichtsratschef Beermann bei der Staatsanwaltschaft Halle gestellt. Dabei verwies Michel auf die im Handelsgesetzbuch verankerte Publizitätspflicht, wonach  Kapitalgesellschaften ihren Geschäftsbericht innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres veröffentlichen müssen. Die Staatsanwaltschaft Halle antwortete darauf vor einer Woche, dass sie von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen habe. Eine Nachfrage beim Bundesanzeiger habe ergeben, dass die Mibrag-Bilanz für das Jahr 2013 am 24.02.2015 veröffentlicht worden sei. Die Staatsanwaltschaft ging nicht darauf ein, dass die Mibrag-Bilanz dort tatsächlich auch lange nach diesem Termin nicht einsehbar war.

Dabei hat die Öffentlichkeit ein berechtigt großes Interesse an möglichst umfassenden und nachvollziehbaren Berichten über die Geschäftstätigkeit des Braunkohleförderers. Er greift mit seinen beiden Tagebauen Profen und Vereinigtes Schleenhain nicht nur stark in die Umwelt ein und verursacht Heimatverluste für die vom Bergbau betroffenen Menschen. In den vergangenen Jahren sorgten auch die starken Kapitalabflüsse an den tschechischen Gesellschafter EPH Energetický a Prùmyslový Holding und Mibrags Einbindung in dessen undurchsichtiges zypriotisches Beteiligungsnetzwerk für Aufsehen. Fragwürdig sind auch die Langstrecken-Transporte von Rohbraunkohle über mehrere hundert Kilometer nach Tschechien und Niedersachsen, die Mibrag seit 2012 praktiziert.

Der Geschäftsbericht 2013 selbst belegt, dass der starke Kapitalabfluss von Mibrag zu EPH weiter fortgesetzt worden ist. Bei einem leicht rückläufigen Umsatz von 421 Millionen Euro führte das Bergbauunternehmen einen Gewinn von 82 Mio. Euro an seinen Gesellschafter JTSD Braunkohlebergbau ab. JTSD ist eine deutsche Enkelgesellschaft von EPH. Der abgeführte Gewinn entspricht einer im Bergbau ungewöhnlich hohen Umsatzrendite von 19 %. Schon in den vorangegangenen Jahren hatte Mibrag ähnlich hohe Gewinne an JTSD abgeführt: 83 Mio. Euro im Jahr 2012, 67 Mio. Euro im Jahr 2011 und 70 Mio. Euro im Jahr 2010. Für das sechs Monate lange Rumpfgeschäftsjahr 2009 waren es 33 Mio. Euro.

 

Kaufpreis wieder eingespielt

Nach diesen Erfahrungswerten ist damit zu rechnen, dass Mibrag auch im Jahr 2014 einen Gewinn von mindestens 80 Mio. Euro an JTSD/EPH abgeführt haben dürfte. Damit wäre die Summe aus den seit 2009 abgeführten Mibrag-Gewinnen auf 415 Mio. Euro gestiegen. Die hinter EPH stehenden tschechischen und slowakischen Finanzinvestoren hätten damit innerhalb von sechs Jahren den gesamten Kaufpreis von 400 Mio. Euro wieder eingespielt, für den sie den Braunkohleförderer im Jahr 2009 gemeinsam mit dem tschechischen Energiekonzern ČEZ vom US-amerikanischen Energiekonzern NRG übernommen hatten. ČEZ hatte im Jahr 2012 seine Mibrag-Beteiligung an EPH verkauft.

Welche Folgen der starke Kapitalabfluss für Mibrag hat, ist derzeit nur schwer abzuschätzen. Im August 2014 hatte die Geschäftsführung versichert, dass dem Unternehmen genügend Finanzmittel für Investitionen und Gehaltszahlungen zur Verfügung stehen. Der Betriebsrat, der bei dieser Aussage anwesend war, hatte dem nicht widersprochen. Ein wichtiger Posten sind auch die Rückstellungen für ökologische Altlasten und bergbaubedingte Verpflichtungen, mit denen die spätere Rekultivierung der jetzt aktiven Tagebaue finanziert werden soll. Diese Rückstellungen sind im Geschäftsjahr 2013 um 9 % auf 120 Mio. Euro gestiegen.