Bei der deutsch-polnischen Grenzstadt Guben/Gubin will der polnische Energiekonzern PGE einen neuen Braunkohle-Tagebau erschließen und ein Großkraftwerk bauen. Für dieses Projekt läuft derzeit die grenzüberschreitende Umweltverträglichkeits-Prüfung.


Der polnische Energiekonzern PGE Polska Grupa Energetyczna will südöstlich der deutsch-polnischen Grenzstadt Guben/Gubin einen neuen Braunkohle-Tagebau erschließen und ein Großkraftwerk bauen. An der dafür notwendigen grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeits-Prüfung hat die polnische Generaldirektion für Umweltschutz das Brandenburger Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe beteiligt. Die Dokumente, die teilweise ins Deutsche übersetzt sind, sind auf der Internetseite des Landesamtes abrufbar und liegen noch bis zum 29. Dezember in den Verwaltungen von Forst, Guben, Peitz und Schenkendöbern öffentlich aus. Anmerkungen und Einwendungen zu dem Vorhaben können bis zum 12. Januar 2016 bei der Regionaldirektion für Umweltschutz in Gorzów Wielkopolski eingereicht werden.

In dem neuen Braunkohlerevier zwischen Gubin und den weiter südlich und östlich gelegenen Gemeinden Brody und Lubsko sollen nutzbare Kohlevorräte von 1,2 Milliarden Tonnen lagern. PGE will hier im Jahr 2026 mit der Entwässerung der Lagerstätten und ab 2030 mit der Kohleförderung beginnen. Der Konzern rechnet damit, dann auf einer Fläche von 10.383 Hektar über 49 Jahre Braunkohle fördern zu können. Bei einer Jahresförderung von 17 Millionen Tonnen sollen insgesamt 833 Mio. t des fossilen Brennstoffs ausgebaggert werden. Zum Vergleich: Aus dem benachbarten deutschen Braunkohle-Tagebau Jänschwalde des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gelangen derzeit jährlich 9 Mio. t Braunkohle in das Kraftwerk Jänschwalde.

 

Kohle für ein Großkraftwerk

Um aus der Gubiner Braunkohle Strom erzeugen zu können, will PGE in der Nähe des Tagebaus außerdem ein Großkraftwerk bauen, wahrscheinlich zwischen den Ortschaften Czarnowice und Koperno. Wie aus einem ausführlicheren polnischen Dokument hervorgeht, plant der Konzern derzeit drei Kraftwerksblöcke mit einer Netto-Stromleistung von jeweils etwa 830 Megawatt. Der Netto-Wirkungsgrad wird dort mit 40 Prozent beziffert. Das liegt deutlich unter dem Wert des neuen Braunkohle-Kraftwerksblocks in Boxberg, der 2012 in Betrieb gegangen war und einen Netto-Wirkungsgrad von 43,7 Prozent erreicht. Gibt also der Boxberger Neubaublock schon mehr als die Hälfte der Energie, die in der Braunkohle enthalten ist, über Kühltürme in die Atmosphäre ab, soll es in den Gubiner Blöcken noch etwas mehr sein.

Das geplante Kraftwerk soll mit einer Braunkohle-Trocknungstechnik ausgerüstet werden, die das An- und Abfahren der Kraftwerksblöcke sowie ihren Teillastbetrieb unterstützt. Eine solche Technik wird derzeit im Kraftwerk Jänschwalde erprobt. Außerdem will PGE das Kraftwerk Gubin für die Abscheidung und Lagerung des Kohlendioxids vorbereiten, das bei der Braunkohle-Verbrennung in großen Mengen freigesetzt wird.

In einer Volksbefragung des Jahres 2009 hatten sich die Einwohner von Brody und Gubin gegen den Tagebau ausgesprochen. PGE vertritt nun offenbar die Ansicht, dass diese Befragung nur der Meinungsbildung diente und nicht verbindlich war. Inzwischen würden Gemeindevertreter, Geschäftsleute und Wissenschaftler zunehmend die Vorteile des Energiekomplexes sehen, heißt es in der deutschen Variante des Umweltberichts. Ob und welche Ortschaften dem Tagebau weichen müssten, geht daraus nicht hervor.

 

Grenzland zwischen Tagebauen

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg hatte berichtet, dass auf polnischer Seite 2.000 bis 3.000 Bewohner umgesiedelt werden sollen. Dem Bericht zufolge wären auch die Bewohner mehrerer deutscher Ortschaften stark betroffen, die in einem schmalen Streifen zwischen dem Tagebau Jänschwalde und der polnischen Grenze leben. Der Tagebau Gubin würde von Osten bis auf wenige hundert Meter an ihre Häuser heranrücken.

PGE verfolgt derzeit auch gemeinsam mit mehreren Partnern das Projekt eines ersten polnischen Atomkraftwerks mit einer Stromleistung von bis zu 3.750 MW, für dessen Standort derzeit noch drei Kommunen in der nordpolnischen Wojewodschaft Pomerania in Frage kommen. Nach bisher verfügbaren Informationen soll es bis zum Jahresende 2024 mit einem ersten Block in Betrieb gehen und 2030 seine volle Leistung erreichen. Das polnische Atomenergieprogramm, das im Januar 2014 von der Regierung bewilligt worden war, sieht auch den Bau eines zweiten, gleich großen AKW vor. Es soll bis 2035 in Betrieb gehen, weitere konkrete Planungen sind allerdings bisher nicht bekannt.


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