Der russische Erdgas-Produzent Gasprom senkt den bisher hohen Preis für Lieferungen in die Ukraine während der ersten drei Monate des Jahres 2014 deutlich ab. Für die Zeit danach muss der Preis wieder neu ausgehandelt werden – auf der Grundlage eines umstrittenen Vertrages von 2009.


Der Preis für russische Erdgaslieferungen in die Ukraine soll zum Jahresanfang 2014 um etwa ein Drittel sinken. Das geht aus offiziellen Erklärungen und aus Presseberichten hervor, die nach den russisch-ukrainischen Regierungsgesprächen vom Dienstag veröffentlicht wurden. Danach wird der Importpreis für russisches Erdgas von derzeit etwa 400 US-Dollar (293 Euro) je 1.000 Kubikmeter ab Januar auf 268,5 US-Dollar ermäßigt. Diesen Preisnachlass haben der russische Lieferant Gasprom und der ukrainische Importeur Naftogas in einem Zusatzdokument zu ihrem 2009 geschlossenen Liefervertrag vereinbart. Allerdings gilt der Rabatt offenbar nur für ein Quartal und muss für die Zeit danach wieder neu ausgehandelt werden.

Rabatte für Erdgaslieferungen hat Gasprom in den vergangenen Monaten nach harten und langwierigen Verhandlungen auch mehreren anderen europäischen Importeuren gewährt. Der Grund dafür ist, dass die traditionelle Ölpreisbindung in den langfristigen Lieferverträgen zu hohen Erdgas-Importpreisen für die etablierten Versorger geführt hat, die sie nicht mehr an ihre eigenen Kunden weitergeben konnten.

In der Ukraine haben die Erdgas-Importpreise in den vergangen Jahren einen besonders starken Anstieg erlebt. Im Jahr 2005 galt noch ein Vorzugspreis von 50 US-Dollar, den Gasprom damals allen mit Russland befreundeten Nachfolgestaaten der Sowjetunion gewährte. Nach der ukrainischen „Revolution in Orange“, die zu einer stärkeren Westorientierung des Landes führte, wollte der halbstaatliche russische Konzern für 2006 eine drastische Preiserhöhung auf 230 US-Dollar durchsetzen. Im Streit darum stoppte Gasprom sogar zeitweise die Gaslieferungen in die Ukraine. Dadurch wurden auch die russischen Erdgasexporte nach Mittel- und Westeuropa beeinträchtigt, die hauptsächlich auf dem Transitweg durch dieses Land erfolgen.

Schließlich einigten sich beide Seiten auf einen Kompromiss, durch den die Ukraine das Erdgas aus russischen Leitungen zum Preis von 95 US-Dollar beziehen konnte. Den nächsten Preisstreit gab es dann im Januar 2009, der mit einem zweiwöchigen Lieferstopp und mit spürbaren Auswirkungen auf die Erdgasversorgung von Mittel- und Westeuropa verbunden war. Am Ende dieses Streits schlossen Gasprom und Naftogas einen Liefervertrag bis 2019, der einen schnellen Preisanstieg auf westeuropäisches Niveau einschließlich Ölpreisbindung vorsah. Für die Ukraine führte das zu einem Importpreis von zeitweise sogar mehr als 400 US-Dollar.

Diesen Vertrag hatte die damalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko mit ausgehandelt.  Nach ihrer Abwahl nutzten ihre politischen Gegner diese Tatsache, um ihr die Verantwortung für die hohen Gasimport-Preise zuzuschreiben. In einem fragwürdigen, politisch motivierten Prozess wurde sie deshalb schließlich 2011 zu einer siebenjährigen Gefängnisstrafe verurteilt.

Dass sich der halbstaatliche Konzern Gasprom nun unter dem Einfluss des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einem Gaspreis-Rabatt für die Ukraine bewegen ließ, hat offenbar ebenfalls politische Gründe. Putin bemüht sich derzeit darum, das Nachbarland für eine schon bestehende Zollunion mit Russland, Belarus und Kasachstan zu gewinnen. Auf der anderen Seite hat die Ukraine bereits über ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union verhandelt, das mit dieser Zollunion nicht vereinbar wäre.

Ukraines Präsident Viktor Janukowitsch hatte dieses Assoziierungsabkommen entgegen der allgemeinen Erwartung nicht unterschrieben und damit mehrwöchige Massenproteste der ukrainischen Bevölkerung ausgelöst. Der russische Erdgas-Rabatt und ein ebenfalls von Putin vermittelter Regierungskredit über 15 Milliarden US-Dollar sollen offenbar Janukowitschs schwierige Position stärken und die Ukraine wieder enger an Russland binden.

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