Für die Erdgasfernleitung Südstrom hätte eigentlich seit November die erste Röhre durch das Schwarze Meer verlegt werden sollen. Doch Russland vermisst die notwendige Unterstützung von Bulgarien und der Europäischen Kommission – und bringt nun ein alternatives Leitungsprojekt ins Spiel.


Das Projekt der Erdgasfernleitung Südstrom (Englisch: South Stream), die von Russland durch das Schwarze Meer nach Südosteuropa führen soll, steht möglicherweise vor dem Ende. Das lässt sich zumindest aus den Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin bei einem Staatsbesuch in der Türkei schließen. Russland könne das Projekt unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht weiter umsetzen, sagte Putin gestern in Ankara. Als Gründe dafür führte er an, dass Bulgarien die notwendige Genehmigung bisher nicht erteilt habe und dass auch die Europäische Kommission die Umsetzung behindere. Das Rohrleitungssystem im Schwarzen Meer könne jetzt eigentlich gebaut werden, argumentierte Putin. Doch es nur bis zur bulgarischen Küste zu verlegen und dann haltzumachen, sei einfach unsinnig.

Medienberichten zufolge hatte Bulgarien die Arbeiten am Landabschnitt von Südstrom im Juni mit der Begründung gestoppt, dass die Auftragsvergabe nicht regelgerecht erfolgt sein sollte. Außerdem soll die EU-Kommission dagegen Bedenken haben, dass der russische Energiekonzern Gasprom bei dem Projekt gleichzeitig als Leitungsbetreiber und als Lieferant des transportierten Erdgases auftritt. Auch durch den russisch-ukrainischen Konflikt in der Ostukraine dürften sich die politischen Rahmenbedingungen für Südstrom weiter verschlechtert haben.

Südstrom ist ein Gemeinschaftsprojekt von Gasprom mit mehreren europäischen Energieunternehmen. Der Unterwasser-Abschnitt sollte von der südrussischen Küste bei Anapa über 931 Kilometer durch das Schwarze Meer zur bulgarischen Küste bei Varna führen und jährlich 63 Milliarden Kubikmeter Erdgas transportieren können. Die Kosten für den Bau dieses Abschnitts waren im Frühjahr noch mit zehn Mrd. Euro beziffert worden.

An dem Unterwasser-Konsortium sind Gasprom mit 50 Prozent, der italienische Energiekonzern Eni mit 20 % sowie der französische Stromkonzern EdF und der deutsche Gas- und Ölförderer Wintershall mit jeweils 15 % beteiligt. Das Konsortium hatte bereits mehrere Aufträge für die Lieferung und für das Verlegen der notwendigen Stahlröhren im Wert von mehreren Milliarden Euro vergeben. Dem ursprünglichen Zeitplan zufolge hätte seit November die erste Röhre verlegt werden und zum Jahresende 2015 in Betrieb gehen sollen.

Für die anschließenden Leitungsabschnitte, die durch mehrere südosteuropäische Länder bis nach Italien und Österreich führen sollten, hatte Gasprom jeweils Gemeinschaftsunternehmen mit einheimischen Gastransport-Unternehmen gegründet. Außerdem hat der Konzern wohl bereits größere Summen investiert, um in Russland die notwendigen Zubringerleitungen an die Schwarzmeerküste und die dortige Verdichterstation „Russkaja“ zu bauen.


Türkische Erdgas-Drehscheibe

Möglicherweise wären diese Investitionen allerdings auch dann nicht vollständig verloren, wenn Südstrom tatsächlich nicht gebaut werden sollte. Denn Putin kündigte an, dass Russland seine Erdgaslieferungen in die Türkei nicht nur über die schon bestehende Schwarzmeer-Leitung Blauer Strom (Englisch: Blue Stream) ausweiten wird. Sein Land sei auch bereit, ein neues Gasleitungssystem zu verlegen und – falls es sich als sinnvoll herausstellen sollte – in der Türkei an der griechischen Grenze eine Erdgas-Drehscheibe für Südeuropa aufzubauen.

Diese Ankündigung wurde heute von Gasprom und seinem türkischen Partner Botas noch etwas bekräftigt. Die beiden Partner unterschrieben eine Absichtserklärung für den Bau einer Schwarzmeer-Leitung von Russland in die Türkei, die ebenso wie Südstrom auf eine jährliche Transportleistung von 63 Mrd. m³ ausgelegt sein soll. 14 Mrd. m³ davon entsprechen der Erdgasmenge, die Gasprom derzeit noch über die Ukraine und Bulgarien in die Türkei liefert. Knapp 50 Mrd. m³ sollen für die von Putin erwähnte neue Erdgas-Drehscheibe bestimmt sein. Als Ausgangspunkt für die neue Schwarzmeer-Leitung will Gasprom die Verdichterstation „Russkaja“ nutzen, die bisher noch für Südstrom gebaut wurde.


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