Die regionalen Unterschiede bei Stromnetz-Entgelten werden sich in den nächsten Jahren durch den Ausbau erneuerbarer Energien und die Bevölkerungsentwicklung weiter verstärken. Ein möglicher Weg, Standortnachteile für die betroffenen Regionen zu vermeiden, ist ein bundesweites solidarisches Umlagemodell für Netzkosten.



Die Netznutzungsentgelte sind in Ostdeutschland systematisch höher als in Westdeutschland. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die im Auftrag der Sächsischen Staatskanzlei von der Technischen Universität Dresden und den Energieforen Leipzig erstellt wurde. Für Privathaushalte sei dies eine Belastung, im gewerblichen Bereich könne es ein Investitionshemmnis sein, schreiben die Autoren. Für die kommenden Jahre erwarten sie, dass sich die regionalen Unterschiede weiter verstärken. Als möglichen Weg, die damit verbundenen Nachteile zu vermeiden, haben sie einen bundesweiten Ausgleich der Netzentgelte untersucht.

Die Netzentgelte sind ein wesentlicher Bestandteil des Strompreises und beeinflussen ihn stark. Sie werden von jedem der mehr als 800 deutschen Stromnetz-Betreiber einzeln festgelegt. Dabei legt er die anfallenden Netzkosten auf die angeschlossenen Kunden und auf ihren Stromverbrauch um. Wie hoch die Netzentgelte in einem Gebiet ausfallen, hängt daher einerseits weitgehend von den Investitions- und Betriebskosten ab. Die zweite entscheidende Einflussgröße ist, auf wie viele Kunden und auf welchen Stromverbrauch diese Kosten verteilt werden können.

Im Bundesdurchschnitt lagen die Netzentgelte für Haushalts- und Gewerbekunden im vergangenen Jahr 2013 bei 6,27 Cent pro Kilowattstunde. Deutlich günstiger waren sie in Bremen mit 5,08 Ct/kWh, während in Brandenburg durchschnittlich 8,62 Ct/kWh anfielen. Für Industriekunden wurden in der Studie durchschnittliche Netzentgelte von 1,82 Ct/kWh ermittelt. Auch in dieser Kundengruppe schneidet Bremen mit 1,48 Ct/kWh am besten ab, während in Mecklenburg-Vorpommern 2,63 Ct/kWh fällig werden.


Ungleicher Anstieg

In den kommenden Jahren rechnen die Autoren mit einem stetigen Anstieg der Netzentgelte, der wiederum regional unterschiedlich ausfällt. Für ein generell höheres Niveau spricht, dass die Betreiber der vier deutschen Übertragungsnetze bis zum Jahr 2013 insgesamt 32,5 Milliarden Euro investieren sollen. Diese Summe ist laut dem Netzentwicklungsplan 2013 nötig, um Meereswindparks in Ost- und Nordsee anzuschließen und um neue Höchstspannungs-Leitungen zu bauen, die den dort erzeugten Strom nach Süden transportieren. Diese Ausbaukosten werden von den Übertragungsnetz-Betreibern über  Netzentgelte finanziert, die sie wiederum den Betreibern der nachgelagerten Verteilnetze auf der  Mittelspannungs- und Niederspannungsebene in Rechnung stellen. Die Verteilnetz-Betreiber geben sie dann mit ihren eigenen Netzentgelten an die Stromkunden weiter.

Dass der Anstieg der Netzentgelte regional unterschiedlich ausfallen dürfte, liegt zum einen an der Bevölkerungsentwicklung. In einigen Regionen gehen die Einwohnerzahlen weiter zurück, und damit auch die Zahl der Stromkunden und der Stromverbrauch. Das führt dort zu höheren Netzentgelten. In anderen Regionen ist mit einer weiteren Zuwanderung zu rechnen, die niedrigere Netzentgelte ermöglicht.

Zum anderen wird die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien regional unterschiedlich stark ausgebaut, so dass auch unterschiedlich hohe Kosten für die Einbindung der Ökostrom-Anlagen in das Stromnetz anfallen. Hinzu kommt eine ungleiche Altersstruktur der Verteilnetze, die in einigen Netzgebieten höhere Ersatzinvestitionen notwendig macht als in anderen. Die dafür anfallenden Kosten trägt der jeweilige Verteilnetz-Betreiber, der sie wiederum über die Netzentgelte an die Stromkunden weitergibt.

Aus diesen Gründen rechnen die Studienautoren damit, dass es in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, dem Saarland sowie in den Stadtstaaten eine eher geringe Steigerungsrate für die Netzentgelte gibt. In Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Brandenburg erwarten sie dagegen einen deutlich stärkeren Anstieg. So könnten die Netzentgelte für Haushalts- und Gewerbekunden in Mecklenburg-Vorpommern bis 2023 auf 11,26 Ct/kWh und für Industriekunden auf 4,70 Ct/kWh steigen. In Bremen dagegen würden nur 6,63 und 2,77 Ct/kWh anfallen.

Das bestehende Umlagesystem der Netzkosten auf die angeschlossenen Abnehmer und deren Energieverbrauch befördere eine zusätzliche Belastung strukturschwacher Regionen, heißt es in der Studie. „Dieser hohe Anstieg der Netznutzungsentgelte kann hierbei einen strukturellen Standortnachteil für Industrie, Handel und Gewerbe darstellen und die Diskussion der Unternehmensverlagerung in Regionen mit geringeren Energiekosten befördern“, schreiben die Autoren.


Solidarischer Ausgleich

Um dies zu vermeiden, schlagen sie vor, einen „Netzkostenstrukturausgleich“ einzuführen, der auf dem Solidaritätsprinzip aufbaut. Er soll es ermöglichen, die Entgelte zwischen den einzelnen Regionen anzugleichen und so die Kosten von Netzausbau und -unterhalt Kosten auf eine breitere Basis zu verteilen. Schon ein bundesweites Wälzen der Übertragungsnetz-Kosten würde heute in Sachsen eine nicht zu vernachlässigende Entlastung insbesondere für die Industrie mit sich bringen. „Allerdings zeigen die Modellergebnisse, dass diese Entlastung mit der Zeit tendenziell stark abnimmt“, heißt es.

Ein bundeseinheitliches Wälzen der gesamten Netzentgelte, also auch auf der Verteilnetzebene, hätte im Gegensatz dazu nochmals einen weitaus größeren Entlastungseffekt, der auch in zukünftigen Jahren für Sachsen ungefähr gleich bleibe und in den anderen ostdeutschen Ländern tendenziell zunehmen werde. Auf der anderen Seite würden die Regionen, in denen nach dem bestehenden Umlagesystem niedrige Netzentgelte anfallen, nur begrenzt mehr belastet. Die Autoren weisen auch darauf hin, dass eine solche Solidarisierung der bundesweiten Stromkunden schon einmal mit der sogenannten Offshore-Haftungsumlage für das Risiko beim Anschluss der Meereswindparks umgesetzt wurde.

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