Für die vielen Solar- und Windparks im Norden und Osten sind dort die regionalen Stromnetze besonders stark ausgebaut worden. Das hat zu hohen regionalen Netzentgelten geführt. Sachsen-Anhalts Energieminister hält diese Logik für falsch.

Windpark bei Weissenfels gross

Windpark bei Weißenfels. Archivfoto 2016: Stefan Schroeter


Sachsen-Anhalts Energieminister Armin Willingmann hält eine Neuregelung der Strom-Netzentgelte für erforderlich. Unterschiedlich hohe Netzentgelte seien der Grund dafür, dass private Haushalte in Sachsen-Anhalt sowie in weiteren Bundesländern im Osten und Norden Deutschlands vergleichsweise höhere Strompreise zahlen müssten als im Süden, erklärte der Minister.

 

Aktuell müssten Verbraucher ausgerechnet in denjenigen Ländern höhere Netzentgelte zahlen, die sich in den vergangenen Jahren besonders stark beim Ausbau erneuerbarer Energien engagiert hätten. „Die Logik, dass die dadurch entstehenden Lasten der Netzentgelte von den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort aufgebracht werden müssen, erschließt sich mir nicht“, so Willingmann weiter. „Ich halte sie für falsch und bemängele sie seit geraumer Zeit.“

 

Als besonders ärgerlich bezeichnete er es, dass ausgerechnet jene Bundesländer im Süden Deutschlands, die sich in den vergangenen Jahren dem Ausbau erneuerbarer Energien sowie dem Netzausbau mit Vehemenz entgegengestellt hätten, zugleich von niedrigen Strompreisen profitieren würden. Das könne so nicht bleiben.

 

Bundesweite Wälzung

Als Vorsitzender der Energieministerkonferenz verwies Willingmann darauf, dass sich dieses Gremium Ende März in Merseburg für eine baldige Neuregelung der Netzentgelt-Systematik eingesetzt hatte. „Wir erarbeiten derzeit Empfehlungen für das Bundeswirtschaftsministerium und die Bundesnetzagentur, die eine bundesweite Wälzung der Mehrkosten besonders betroffener Verteilernetzbetreiber vorsehen.“

 

In den vergangenen Jahren sind Solar- und Windparks vor allem in Nord- und Ostdeutschland gebaut worden. Damit der von ihnen erzeugte Strom abtransportiert werden kann, mussten die regionalen Verteiler-Stromnetze ausgebaut werden. Die Kosten für diesen regionalen Netzausbau werden über die regionalen Netzentgelte finanziert, die in die Strompreise eingehen und so von den Verbrauchern vor Ort bezahlt werden.

 

Dazu kommt, dass es im Norden und Osten weniger industrielle Strom-Großverbraucher und eine geringere Bevölkerungsdichte gibt als im Süden. Damit müssen die hohen Netzausbau-Kosten auch noch auf geringere Stromabsatz-Mengen verteilt werden, was die Netzentgelte weiter treibt.

 

Das Energieministerium Sachsen-Anhalts zitierte eine Erhebung des Vergleichsportals Verivox zu Stromnetz-Entgelten. Demnach betragen sie in Sachsen-Anhalt bei einem Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden durchschnittlich 356 Euro pro Jahr. In Thüringen liegen sie bei 329 Euro, in Bayern bei 321 Euro. In Brandenburg sind 515 Euro zu zahlen, in Schleswig-Holstein 507 Euro.

 

Preiszonen als Alternative

Falls eine Verständigung zu den Netzentgelten in absehbarer Zeit nicht gelingen sollte, könnte sich Willingmann auch ein anderes Modell zur Reduktion der Strompreise vorstellen. Die Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern hätten kürzlich vorgeschlagen, Deutschland in mehrere Preiszonen zu teilen. Eine solche Teilung der Strompreiszone könne im Norden und Osten zu niedrigeren Strompreisen führen und sei eine mögliche Alternative.

 

Gegen eine Aufteilung der bisher einheitlichen Preiszone im Großhandel an der Strombörse hatten sich kürzlich die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der sechs südlichen und westlichen Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland ausgesprochen. Sie befürchten höhere Strompreise in ihren Ländern, von denen ihre industriellen Zentren strukturell benachteiligt werden könnten.

 

Eine andere Sichtweise gibt es in der Europäischen Kommission und der Europäischen Energie-Regulierungsagentur ACER. Dort gelten regionale Preiszonen als ein wirksames Mittel gegen Engpässe im überregionalen Höchstspannungs-Stromnetz. In Deutschland treten diese Engpässe vor allem beim Stromtransport aus den Ökostrom-Produktionszentren des Nordens und Ostens in die Verbrauchszentren des Südens auf.

 

Diese Engpässe wirken sich nebenbei auch ungünstig auf den grenzüberschreitenden Stromaustausch mit Nachbarländern aus. Deshalb hat ACER bereits vorgeschlagen, in Deutschland zwei bis vier regionale Strompreiszonen einzurichten. Dazu sollen die vier deutschen Betreiber der überregionalen Strom-Übertragungsnetze nun eine eigene Empfehlung erarbeiten.


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