Vor allem in Nord- und Ostdeutschland hat der Ausbau erneuerbarer Energien zu besonders hohen Stromnetz-Entgelten geführt. Die Bundesnetzagentur will nun einen bundesweiten Ausgleich ermöglichen.

 

Wo die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wächst, müssen oft auch die Stromnetze mitwachsen. Archivfoto 2021: Stefan Schroeter

Die Bundesnetzagentur hat ein Reformkonzept für faire Strom-Netzentgelte vorgelegt. Sie soll Stromkunden in den Regionen entlasten, in denen die Netzentgelte wegen des Ausbaus für die erneuerbare Stromerzeugung besonders stark gestiegen sind.

Dort sollen die Netzentgelte sinken. Auf der anderen Seite rechnet die Behörde mit überschaubaren zusätzlichen Kosten für alle Stromverbraucher in Deutschland. Ihren Vorschlag will sie nun mit der Politik, den Ländern und zivilgesellschaftlichen Akteuren diskutieren.

Das Reformkonzept sieht mehrere Stufen vor. In einem ersten Schritt soll untersucht werden, ob ein Netzbetreiber von einer besonderen Kostenbelastung aus dem Ausbau erneuerbarer Energien betroffen ist.

Im zweiten Schritt wird die entstandene Mehrbelastung ermittelt und in einem dritten Schritt bundesweit verteilt. Damit sollen dann die Netzentgelte in den betroffenen Regionen sinken.

Spürbare Entlastungen

Wie die Bundesnetzagentur weiter mitteilte, wären derzeit 17 Netzbetreiber berechtigt, ihre Mehrkosten auf alle Stromverbraucher zu verteilen. Diese begünstigten Netzbetreiber versorgen 10,5 Millionen Netznutzer.

Bei ihnen würden die Netzentgelte um bis zu 25 Prozent sinken und dann etwa im Bundesdurchschnitt liegen. In den begünstigten Netzgebieten könnte ein Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden dadurch bis zu 120 Euro im Jahr sparen.

Die Behörde hat auch die gesamte Entlastung berechnet, die durch die Reform möglich werden soll. Mit den Zahlen des laufenden Jahres 2023 wären es insgesamt 608 Millionen Euro gewesen.

Am meisten entlastet werden dabei Netzbetreiber in Brandenburg, auf die 217 Millionen Euro entfallen. Es folgen Schleswig Holstein mit 184 Millionen Euro, und Sachsen Anhalt mit 88 Millionen Euro.

Spürbare Effekte gibt es auch in Mecklenburg-Vorpommern mit 44 Millionen, Bayern mit 40 Millionen und Niedersachsen mit 26 Millionen Euro. Kleinere Entlastungen sieht die Bundesnetzagentur für einzelne Netzbetreiber in Baden-Württemberg, Hessen, Saarland und Rheinland-Pfalz.

 

Solidarische Finanzierung

Die Kosten, die durch diese Entlastungen entstehen, sollen solidarisch von allen Stromverbrauchern in Deutschland finanziert werden. Dabei will die Bundesnetzagentur den bestehenden Mechanismus der Umlage nach Paragraph 19 der Stromnetz-Entgeltverordnung nutzen.

Die Umlage nach § 19 ist bereits ein Bestandteil des Strompreises. Sie dient bisher dazu, besonders große industrielle Stromverbraucher von Netzentgelten zu entlasten. Im kommenden Jahr 2024 wird sie von den übrigen Stromverbrauchern mit 0,4 Cent pro Kilowattstunde bezahlt.

Wenn nun auch die Ökostrom-Ausbauregionen über diese Umlage entlastet werden, würde sie auf 0,64 Cent steigen. Für einen Haushalt mit 3.500 Kilowattstunden Jahresverbrauch liefe das auf zusätzliche Kosten von 8,40 Euro pro Jahr hinaus.

 

Regionale Unterschiede

Netzentgelte sind mit durchschnittlich 22 Prozent ein wesentlicher Bestandteil des Strompreises für Haushalte. Die Betreiber von Strom-Verteilnetzen berechnen sie dafür, dass Strom durch ihre Leitungen von den Lieferanten zu den Kunden fließt.

In den einzelnen Regionen sind die Netzentgelte sehr unterschiedlich hoch. In dünn besiedelten Gegenden des Nordens und Ostens wurden viele Solar- und Windparks errichtet. Um den dort erzeugten Strom transportieren zu können, mussten die Stromnetze ausgebaut werden.

Die Kosten für diesen Ausbau fließen in die Netzentgelte ein, die Stromkunden mit ihren Verbrauchsrechnungen bezahlen. Wo es wenig Stromkunden mit geringem Verbrauch gibt, aber hohe Ausbaukosten entstanden sind, sind die Netzentgelte bisher besonders stark gestiegen.

Nach Informationen der Bundesnetzagentur betragen die Netzentgelte in einigen Netzgebieten bis zu 15 Cent pro Kilowattstunde. In anderen liegen sie unter 5 Cent. Auch innerhalb einiger Bundesländer wie Bayern und Baden-Württembergs unterscheiden sich die Netzentgelte deutlich.

 

Reformbedarf und -befugnis

Diese unterschiedliche Entwicklung würde sich mit dem weiteren Ausbau erneuerbarer Energien weiter verschärfen. Deshalb hatten sich mehrere nord- und ostdeutsche Bundesländer in den vergangenen Monaten zunehmend für eine Reform der Netzentgelte eingesetzt.

Die Bundesnetzagentur hatte sich bereits im August 2023 zu einer Reform für gerechtere Netzentgelte bereiterklärt. Mit einer Änderung des Energiewirtschaftsrechts im November 2023 wurde ihr auch die Befugnis dafür übertragen, derartige Entscheidungen zu den Netzkosten zu treffen.

Die Behörde beabsichtigt nun, im dritten Quartal 2024 eine „Festlegung zur sachgerechten Verteilung der Mehrkosten“ zu erlassen. Sie tritt frühestens zum 1. Januar 2025 in Kraft.

 

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