Zahlreiche Energie-Billiganbieter haben in den vergangenen Monaten die Belieferung ihrer Kunden eingestellt. Für sie wurden nun die örtlichen Grund- und Ersatzversorger zuständig, die dafür schnell viel Strom und Gas zu hohen Preisen im Großhandel einkaufen mussten. Diese Mehrkosten geben sie inzwischen an die Neukunden weiter – doch diese Praxis ist umstritten.

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Stadtwerke können in eigenen Kraftwerken selbst Strom erzeugen. Den Brennstoff Gas müssen sie im Großhandel zu den jeweils geltenden Preisen einkaufen. Archivfoto 2020: Stefan Schroeter


In den vergangenen Monaten haben hohe Großhandels-Preise für Strom und Gas zu ungewöhnlichen Entwicklungen im Energie-Endkundenmarkt geführt. Zahlreiche bundesweit agierende Billiganbieter kündigten ihren Kunden außerordentlich oder gingen in die Insolvenz.

 

Diese Kundinnen mussten nun von den vor Ort zuständigen Grund- und Ersatzversorgern mit Strom und Gas beliefert werden. Für die Kunden funktionierte damit ihre Energieversorgung weiter wie gewohnt. Sie kostete zunächst nur ein wenig mehr Geld, weil die Grund- und Ersatzversorgung normalerweise etwas teurer ist als spezielle Wettbewerbsangebote.

 

Für die Grund- und Ersatzversorger bedeutete das einen großen Kundenzuwachs in kurzer Zeit. So haben die drei großen sächsischen Stadtwerke in Chemnitz, Dresden und Leipzig innerhalb weniger Monate jeweils mehrere tausend Neukunden in ihre Ersatzversorgung aufgenommen. Das machte es für sie auch notwendig, schnell die dafür notwendigen Strom- und Gasmengen im Großhandel einzukaufen. In einer Zeit hoher Großhandelspreise war das mit hohen Kosten verbunden.

 

Bundesweit reagierten die Grund- und Ersatzversorger auf dieses neuartige Problem damit, dass sie höhere Preise für Neukunden einführten. Damit wollten sie ihre hohen Beschaffungskosten weitergeben, ohne ihre Bestandskunden damit zu belasten. Dabei gingen sie im einzelnen sehr unterschiedlich vor, was den Zeitpunkt der Einführung und die Höhe der Preise betrifft.

 

Das war auch bei den drei großen sächsischen Stadtwerken zu beobachten. Zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Dezember 2021 und Januar 2022 führten sie Neukunden-Tarife für Strom und Gas ein, die meist doppelt so teuer waren wie die Tarife für Bestandskunden. Zeitweise galten in Chemnitz und Leipzig sogar noch höhere Neukunden-Preise; sie wurden inzwischen aber wieder etwas abgesenkt.

 

Die Verbraucherzentrale Sachsen kritisiert generell die neuartige Praxis, dass Grund- und Ersatzversorger unterschiedliche Preise für Bestandskunden und für Neukunden anbieten. Die Grund- und Ersatzversorgung muss ihrer Ansicht nach weiterhin als Daseinsvorsorge gelten und bezahlbar bleiben.

 

Zu dieser Praxis gibt es inzwischen drei unterschiedliche Urteile von Landgerichten in Köln, Frankfurt/Main und Mannheim. Das Bundes-Wirtschaftsministerium arbeitet nun auch an einer gesetzlichen Regelung.

 

Die Verbraucherzentrale Hessen versucht, die Billiganbieter zur Verantwortung zu ziehen, die ihre Lieferverträge nicht erfüllt haben. Dazu bereitet sie eine Muster-Feststellungsklage gegen den Versorger Stromio vor.


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