Ein bestehendes Erdgasnetz auf Wasserstoff umzustellen, ist technisch möglich. Das haben Versuche mit einem Testfeld in Bitterfeld ergeben. Grüner Wasserstoff soll künftig im Chemiepark Leuna produziert werden. Großkonzerne arbeiten an groß angelegten Projektideen.

Bad Lauchstaedt gross

Erdgasspeicher in Bad Lauchstädt. Hier könnte künftig auch grüner Wasserstoff produziert und gespeichert werden. Archivfoto 2009: Stefan Schroeter


Der Netzbetreiber Mitnetz hat erfolgreich den Transport von Wasserstoff in Gas-Verteilnetzen getestet. Darüber berichtete Geschäftsführer Dirk Sattur gestern beim Wasserstoff-Gipfel des Handelsblatts. Mitnetz hatte gemeinsam mit Wissenschaftlern ein Testfeld in Bitterfeld aufgebaut. Darin wurden die Rohre und Anlagen verwendet, die es üblicherweise in bestehenden Erdgas-Verteilnetzen gibt. Als Ergebnis der zweijährigen Tests berichtete Sattur, dass Mitnetz dafür bereit sei, Wasserstoff mit einem Anteil von bis zu 100 Prozent in Gas-Verteilnetzen einzusetzen. Sein Unternehmen habe nachgewiesen, dass die technische Realisierbarkeit für Alltagsanwendungen mit dem typischen Rohrleitungs- und Anlagenbau möglich sei.

 

Sattur sprach sich dafür aus, Wasserstoffnetze künftig gemeinsam mit Erdgas- und Stromnetzen zu planen. Er wies darauf hin, dass im Mitnetzgebiet teilweise sehr große Mengen von Solar- und Windstrom erzeugt werden, die den regionalen Verbrauch deutlich übersteigen. Das Gebiet erstreckt sich über große Teile Brandenburgs, Sachsens und Sachsen-Anhalts. Mitnetz ist eine Tochtergesellschaft des Regionalversorgers Enviam, der inzwischen zum Energiekonzern Eon gehört.

 

Der Mitnetz-Geschäftsführer äußerte die Sorge, dass diese wachsenden Strommengen künftig nicht mehr vollständig in die Stromnetze eingespeist werden könnten. Als Grund dafür nannte er lange Genehmigungsverfahren für neue Stromleitungen. Deshalb dürfe die Möglichkeit nicht ungenutzt bleiben, die Infrastruktur für Strom, Erdgas und Wasserstoff gemeinsam zu planen.

 

Strom aus erneuerbaren Energien kann in Elektrolyseuren genutzt werden, um aus Wasser sogenannten grünen Wasserstoff zu erzeugen. Dabei ist es denkbar, die Elektrolyseure an Standorten mit besonders großen Solar- und Windstrom-Überschüssen zu errichten, Wasserstoff zu produzieren und ihn durch Rohrleitungen zu den Verbrauchern zu transportieren. Dafür können zum einen die schon bestehenden Erdgasleitungen genutzt werden. Zum anderen ist es auch möglich, neue oder ergänzende Wasserstoff-Leitungen zu verlegen.

 

Sattur sieht bei Kommunen, Industrie- und Gewerbekunden einen zunehmenden Wunsch, die Energieversorgung zu dekarbonisieren. Bei den Kommunen gebe es häufig Mobilitätsprojekte, aber auch Wärme- und Quartiersprojekte, die Mitnetz zu unterstützen versuche. Bei mehreren Kommunen würden die Gespräche immer konkreter.

 

Projekte und Ideen

Ein konkretes Projekt zur Wasserstoff-Produktion aus erneuerbaren Energien im Mitnetz-Gebiet verfolgt derzeit bereits der Industriegase-Konzern Linde. Im Chemiepark Leuna will er im kommenden Jahr 2022 einen Elektrolyseur mit einer Leistung von 24 Megawatt in Betrieb nehmen.

 

Einen größeren Zeitrahmen hat ein Projekt im nahen Bad Lauchstädt, das vom Erdgasunternehmen VNG Verbundnetz Gas und mehreren Partnern verfolgt wird. Sie wollen bis zum Jahr 2018 einen Windpark mit 40 MW Spitzenleistung und einen Elektrolyseur mit 30 MW errichten. Danach sollen der Bau und der Forschungsbetrieb eines Untergrund-Speichers für Wasserstoff folgen.

 

Beim Wasserstoff-Gipfel des Handelsblatts wurden auch mehrere größere Projektideen für die Produktion von grünem Wasserstoff bekannt. So will der Mineralöl-Konzern BP an seinem Raffinerie-Standort Lingen im Emsland bis 2024 einen Elektrolyseur mit 50 MW bauen. Er soll Windstrom aus der Nordsee beziehen. Danach hat BP vor, die Elektrolyse-Leistung in den Folgejahren schrittweise weiter auf 500 MW und mehr zu steigern.

 

Eine weitere Projektidee verfolgt BP gemeinsam mit dem Kraftwerkskonzern RWE: Dabei könnte RWE ebenfalls in Lingen einen Elektrolyseur mit zunächst 100 MW bauen und grünen Wasserstoff über eine Rohrleitung in die BP-Raffinerie Gelsenkirchen liefern. Der Kraftwerkskonzern entwickelt außerdem eine größere Projektidee mit dem Chemiekonzern BASF: Hier könnte ebenfalls Windstrom aus der Nordsee genutzt werden, um am Chemie-Standort Ludwigshafen eine Kohlendioxid-freie Wasserstoff-Produktion zu ermöglichen.

 

Zeitgleich mit dem Wasserstoff-Gipfel des Handelsblatts fand gestern in Leipzig auch ein regionaler Wasserstoff-Gipfel für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen statt. Dabei wurden Forschungs- und Anwendungsprojekte vorgestellt und eine Wasserstoff-Tankstelle des Autoherstellers BMW eröffnet.


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