Energiewirtschaft, Industrie und Wissenschaft arbeiten in der Region Leipzig daran, grünen Wasserstoff zu produzieren, zu transportieren und anzuwenden. Rückenwind und Fördermittel kommen vom Freistaat Sachsen und der Bundesregierung. Diskussionen um den Bundeshaushalt machen sich auch bemerkbar.

 

Leitungen für Erdgas und Wasserstoff an einer Trocknungslinie in der Lackiererei des BMW-Werks Leipzig. Foto: Stefan Schroeter

Um frischen Lack auf der Karosserie eines Fahrzeugs zu trocknen, sind Temperaturen von 150 bis 200 Grad Celsius notwendig. In den Trocknungsöfen der Lackiererei des BMW-Werks Leipzig wird diese Prozesswärme standardmäßig mit Erdgas erzeugt.

Seit reichlich einem Jahr arbeiten Spezialisten hier daran, diese Prozesswärme auch mit klimafreundlicherem Wasserstoff erzeugen zu können. Eine komplette Trocknungslinie haben sie bereits mit Hybridbrennern ausgerüstet, die wahlweise Erdgas oder Wasserstoff als Brennstoff nutzen können.

Die BMW-Lackiererei war am Montag eine Station beim Wasserstoff-Thementag von Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) mit Pressebegleitung. Dabei zeigten der Leiter der Lackiererei, Eike Machnow, und Projektmanager Stefan Fenchel, wie der Brennstoffwechsel funktioniert: Fünf Minuten soll es vom Fingerdruck auf einem Bildschirm dauern, bis Wasserstoff statt Erdgas in die Brenner strömt.

In den nächsten Monaten wollen die BMW-Manager auch die übrigen Trocknungslinien der Lackiererei mit den Hybridbrennern ausrüsten. Fenchel zufolge wäre dann eine wichtige technische Voraussetzung erfüllt, um die Lackiererei nahezu Kohlendioxid-frei zu betreiben.

 

Grüner Wasserstoff aus der Leitung?

Was dann noch fehlt, sind ausreichende Mengen grünen Wasserstoffs. Dieser chemische Energieträger wird überwiegend durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt und gilt als klimafreundlich.

Bei der Elektrolyse wird Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Danach muss der grüne Wasserstoff vom Standort des Elektrolyseurs zum Einsatzort transportiert werden.

Bisher kann das BMW-Werk nur kleine Mengen Wasserstoff beziehen, der in Druckflaschen angeliefert wird. Diese kleinen Mengen reichen aus, um die Hybridbrenner in ihrer Funktion zu testen.

Wie Machnow berichtete, ist es auch möglich, eine ganze Trocknungslinie für mehrere Stunden zu betreiben. Für einen Dauerbetrieb genügt der Wasserstoff aus den Flaschen nicht.

Dazu wären deutlich größere Mengen nötig, die aus einer Wasserstoff-Pipeline geliefert werden könnten. Die Aussichten dafür sind eigentlich gut: In der Nähe verläuft eine Erdgas-Leitung, die der Netzbetreiber auf Wasserstoff umrüsten will.

Doch bis diese Umrüstung erfolgen kann und ein Werksanschluss möglich wird, kann es noch dauern. Im Autowerk rechnen sie derzeit mit dem Jahr 2025, setzen aber auch noch ein Fragezeichen daran.

 

Ein Ring für grünen Wasserstoff

Wie es damit weitergeht, können die BMW-Manager unter anderem im Lhyve-Konsortium besprechen. Das ist ein Zusammenschluss mehrerer regional verankerter Partner aus Energiewirtschaft, Industrie und Wissenschaft.

„Lhyve“ steht dabei für „Leipzig Hydrogen Value chain for Europe“ – also auf Deutsch: Leipziger Wasserstoff-Wertschöpfungskette für Europa. Dieses Konsortium arbeitet an einem grünen Wasserstoffring für die Region Leipzig.

In diesem Konsortium gibt es mehrere Projekte für die Produktion und Speicherung von grünen Wasserstoff. Auch der Transport zu den Anwendern wird hier von Gasnetz-Betreibern vorbereitet und geplant.

Auf Lhyve-Projektkarten ist bereits ein System von Wasserstoff-Leitungen zu sehen, die künftig um Leipzig herum und durch die Stadt führen sollen. Diese Leitungen könnten wiederum auch Anschlüsse an ein schon bestehendes Wasserstoff-Leitungssystem in Sachsen-Anhalt und an ein geplantes bundesweites Wasserstoff-Kernnetz herstellen.

Dabei gibt es weiter Rückenwind aus Sachsens Wirtschaftsministerium. Wie Minister Dulig beim Thementag sagte, setzt er auf einen flächendeckenden Einsatz von grünem Wasserstoff, um Klimaneutralität in Industrie, Mobilität und Logistik zu erreichen.

Nach seinen Worten planen Freistaat und Bund gemeinsam, den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft in der Leipziger Region mit mehr als 200 Millionen Euro zu unterstützen.

 

Hydrix zeigt hohe Marktpreise

Während noch Projekte für Produktion, Transport und Anwendung von grünem Wasserstoff entwickelt werden, wird auch die Frage nach einem angemessenen Preis für den zukunftsträchtigen Energieträger zunehmend interessant.

Mit dieser Preisfrage beschäftigen sich die Energiebörse EEX European Energy Exchange und der Wasserstoff-Handelsorganisator Hintco. EEX hat dafür den Preisindex „Hydrix“ entwickelt und bezeichnet ihn als „ersten marktbasierten grünen Wasserstoffindex“.

Wie EEX-Direktor Daniel Wragge berichtete, fließen hier Preisinformationen von Unternehmen ein, die untereinander direkte Handelsgeschäfte mit grünem Wasserstoff und verwandten Produkten in Deutschland abschließen. Diese Großhandelspreise fragt die Börse bei ihnen ab.

Am Montag lag der Hydrix bei 230 Euro pro Megawattstunde. Zum Vergleich: Fossiles Erdgas kostete am gleichen Tag im Börsenhandel 36 Euro – also etwa ein Sechstel. Das zeigt den enormen Preisunterschied, der heute noch vor einem breiten Einsatz von grünem Wasserstoff steht.

Über den Index hinaus entwickelt EEX derzeit eine Plattform für den Börsenhandel mit Wasserstoff und verwandten Produkten. In einem ersten Schritt soll es eine Auktion geben, bei der die Börse mit Hintco zusammenarbeitet.

Hintco wiederum kann dafür sorgen, dass bei dieser Auktion die notwendigen Produktmengen verfügbar sind und die noch hohen Erzeugerpreise abgemildert werden. Wie Geschäftsführer Timo Bollerhey berichtete, schließt er langfristige Verträge mit Unternehmen ab, die sogenannte Derivate von grünem Wasserstoff liefern wollen.

Das sind Ammoniak, Methanol und Kerosin, die aus grünem Wasserstoff hergestellt werden. Diese nachhaltigen Produkte werden in der chemischen Industrie und in der Luftfahrt gebraucht, um klimafreundliche Anwendungen voranzubringen.

Sie lassen sich gut in Tankwagen transportieren und sind daher gut handelbar. Bei gasförmigem grünem Wasserstoff ist der Transport und damit auch der weiträumige Handel dagegen noch sehr schwierig.

 

Fördergeld senkt Kaufpreise

Auch bei diesen Derivaten rechnet Bollerhey damit, dass die Preise der Lieferanten anfangs noch zu hoch dafür sein werden, dass sich ausreichend Käufer finden. Deshalb werden die Preise durch Fördermittel gestützt, damit sich dieser politisch gewünschte Markt entwickeln kann.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz stellt dafür zunächst 900 Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung. Wie der Hintco-Geschäftsführer sagte, ist dieses Fördergeld sicher verfügbar und nicht von den aktuellen Diskussionen um den Bundeshaushalt betroffen.

Bisher hatte Hintco auch noch eine weitere, noch einmal deutlich größeren Fördergeld-Tranche des Bundes in Aussicht. Sie ist allerdings noch nicht sicher verfügbar und wird von den aktuellen Haushalts-Diskussionen in Frage gestellt.

 

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